Wir schreiben das
Jahr 1999. Ein kleines Mädchen wird in diesem Jahr fünf Jahre alt. Und es
verändert sich.
In diesem Jahr, wird
bei ihr und ihren beiden Geschwistern AD(H)S diagnostiziert. Das
Aufmerksamkeits Defizit (Hyperaktivitäts) Syndrom.
(Anmerkung 2018:
Heute nennt man es Störung und nicht mehr Syndrom)
Bei ihr wird ein
Mischtyp fest gestellt, es hat also sowohl den "Träumertyp" als auch
den so genannten "Zappelphilip" Typ. Mal überwiegt das Eine, mal das
Andere.
Ihre Eltern haben
gemerkt, wie sie sich während dem ersten Kindergartenjahr zwischen drei und
vier Jahren begann zu verändern. Und von einem selbstbewussten und gut
gelaunten Kind, zu einem unsicheren, unzufriedenen und nörgelnden Kind wurde.
Ihre Eltern wussten
nicht was los war, sie konnten sich nicht erklären, wodurch diese massive
Veränderung zustande kam.
Parallel zeigte das
Mädchen Entwicklungsverzögerungen. Große Probleme mit der Feinmotorik,
Schwierigkeiten mit dem Farben lernen. Es wollte lernen, aber es konnte sich
mit 5 Jahren noch immer nicht die Farben merken. Ihre Entwicklung verlangsamte
sich noch mehr und blieb am Ende quasie "stehen".
Durch die Diagnose
ADHS bekamen sie und ihre Geschwister fortan Medikinet. Das im Grunde das
Gleiche wie Ritalin ist. So nachvollziehbar die Debatte über Medikation im
Kindesalter auch ist, für dieses Mädchen war die Medikation das Ticket in die
Regelschule. Andernfalls wäre das Mädchen sicher auf einer Förderschule
gelandet.
Lässt man all die
Nebenwirkungen der Medikamente ein Mal ganz außer Acht, war das Medikinet für
sie, sowie für ihre Geschwister eine große Hilfe um in der Schule bestehen zu
können. Oder eher funktionieren zu können.
Das kleine Mädchen
wollte lernen, es konnte es kaum erwarten endlich in die Schule zu kommen und
lesen und schreiben zu lernen. Deshalb spielte es auch immer mit den dicken
Märchenbüchern, tat so als könne sie schon lesen und würde etwas sehr wichtiges
lesen.
Es war wissbegierig
und hatte so viele Fragen zu allem. Zu Tieren, zur Natur, zu Menschen, zu
Autos, zu Wasserhähnen und wo eigentlich das Wasser her kommt und wo es dann
hin geht wenn es in den Abfluss läuft. Wie der Mensch entstanden ist oder der
Frage "Was war zuerst da, das Ei oder das Huhn" mit deren
Beantwortung sich das Mädchen zum Verzweifeln brachte, weil es keine Antwort
finden konnte. Ebenso wenig konnte es eine Antwort auf die Frage finden, was
denn der Sinn des Lebens sei, wieso sie denn überhaupt lebte, wieso die anderen
Menschen lebten. Wie es sein konnte, dass etwas unendlich lang, breit, hoch und
tief ist, wie das Universum. Wieso es regnete und wo das Wasser überhaupt her
kommt. Wie Wasser entsteht und so weiter. Ja dieses kleine, junge Mädchen war
schon sehr früh ein kleiner Philosoph und wurde mit vielen Überlegungen allein
gelassen. Wohl seine Mutter nicht realisierte, wie ernsthaft sich das kleine
Mädchen in ihrem Kopf mit diesen Themen befasste und so manches Thema wie der
Sinn des Lebens oder wo der Mensch denn her kam sie zum Verzweifeln brachte.
(Zwischenbemerkung:
Man bemerke, das Kind war zwischen 4-6 Jahre alt, hatte
Entwicklungsverzögerungen und AD(H)S. Dumm war es allerdings ganz und gar
nicht.)
Wohl können sich
viele gar nicht vorstellen, dass Kinder im Kindergartenalter, womit sie bei
manchen noch als "Kleinkind" gelten, sich solche tiefgründigen
Gedanken machen können.
Einer dieser
tiefgründigen Gedanken war, dass das kleine Mädchen immer wieder gar nicht mehr
auf der Welt sein wollte. Wenn ihm alles zu viel wurde, die Gefühle sie
übermannten und sie nicht weiter wusste, keine Antworten fand und ihre Gefühle
sie sich so schlecht fühlen ließen, dann wünschte sich das Mädchen, nicht mehr
auf der Welt zu sein. Es wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass es dafür
sterben müsste. Es wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht ein Mal, dass jeder
Mensch ein Mal sterben muss. (Und ja, auch wenn das für Ältere ein
selbstverständliches Allgemeinwissen ist, ist das für junge Kinder keine
Selbstverständlichkeit. Schließlich wird man nicht mit dem Wissen geboren,
eines Tages sterben zu müssen.)
Es wünschte sich
einfach an einen Ort, von dem es der Meinung war, dass es diesen nicht auf der
Erde gibt.
Wer sich jetzt das
Paradies vorstellt, liegt falsch. Der Ort, den sich das Mädchen vorstellte, war
das Nichts. Es war dunkel um das Mädchen, man sah keine Wände, keine Tür, es
gab kein Licht. Nur das Mädchen konnte sich von Außen sehen, wie es mit angezogenen
Beinen da saß. Und es fühlte sich seltsamer Weiße mit dieser Vorstellung gut.
Es wünschte sich an diesen Ort. Möglicher Weiße entstand dieser Ort aus den
Bildern, die sie in einer Dokumentation über das Weltall gesehen hatte. In eben
dieser, in der sie auch lernte, dass das Weltall unendlich war.
Trotzdem ein sehr
untypischer Ort an den sich ein Kind wünscht.
Und dieses Kind,
dieses kleine Mädchen, das war ich.
Wie es mit dem
kleinen Mädchen - also mit mir - weiter geht, kannst du in diesem Blog lesen.