Sonntag, 3. Februar 2019

~2.2.19~ Eine Runde Mitleid

Es ist wahr, ich rede - oder denke - in Bezug auf mich sehr ungern von Mitleid geschweige denn SELBST-Mitleid. Aber ich muss zugeben, ich versinke gerade in Selbstmitleid.
Auch wenn ich denke, dass viele oder gar jeder diese Situation oder ähnliche kennt, stört es mein Ego extrem, dass ich es tatsächlich wage, mich selbst zu bemitleiden. Wer sich selbst bemitleidet, der sieht doch die Dinge nicht mehr klar, der ist total Ich-zentriert und interessiert sich nicht wirklich für Andere.
Bin ich wirklich so? Ich hoffe nicht.
Na ja dazu aber vielleicht später. Erst Mal zur Situation, in der ich gerade im Selbstmitleid versinke und ein Teil von mir es nicht fassen kann während der große Rest in Trauer versinkt.
Ich komme gerade von einem Konzert, das zu Gunsten einer jungen Frau meines Ortes statt fand.
Sie hatte einen Autounfall und ist seitdem Querschnittsgelähmt.
Es gab bereits einen Spendenlauf der Realschule, an der sie gewesen war, eine Spendenaktion von der Schule, an der sie die Ausbildung machte und Spenden ihres Arbeitgebers.
Der Musikverein, in dem sie gespielt hatte, veranstaltete nun dieses Konzert. In so einem kleinen Ort wie dieser wo noch "jeder jeden kennt" kannte ich dieses Mädchen von früher. Ich kannte die Familie oder zumindest die beiden Mädchen als die, die überall beliebt waren, immer mit einem breiten Lächeln zu sehen waren, die einfach jeder kannte und mochte. Eine äquivalente Familie gibt es noch mal in unserem Ort. Sie sind aber in keinem Verein aktiv. Trotzdem sind sie überall bekannt und beliebt. Damals war ich mit den beiden Mädchen befreundet. Das hat sich dann aber recht schnell aufgelöst, weil sie immer so viele Freunde hatten, die sie treffen wollten.
So war es immer, alle meine wenigen Freunde, hatten sehr viele andere Freunde, für die immer Zeit gefunden wurde. Und ich blieb allein.
Während mein Bruder schon seit der Kindheit einen sehr guten Freund hat und meine Schwester seit der Grundschule. War ich immer die, die sehr lange keine richtig guten Freunde hatte, die mich gefragt haben, "willst du dich mit mir treffen?" Die Frage stellte immer ich und bekam oft die Antwort "Ich treff mich schon mit (füge einen Namen ein)".
Erst in der weiterführenden Schule fand ich nach einem Klassenwechsel Freunde. Diese Freundschaften lösten sich nach und nach mit Schulabschluss auf. Die beiden die am längsten bestanden hatten, da endete die Eine mit Abschluss der Ausbildung, die ich mit dieser noch gemacht hatte, oder eigentlich irgendwie schon vorher. Es war eben keine dieser Freundschaften, wo man sich einfach öfter mal außerhalb der Schule trifft. Auch die digitalen Kontakte wurden weniger. Die noch übrig gebliebene Freundin, von der ich immer behauptete es sei meine "beste Freundin" und sie selbiges von mir behauptete, "verlor" ich, während sie im Ausland war, weil ich fest stellen musste, dass sie sich genau so wenig bei mir meldete, wie jemand, mit dem ich zeitgleich Kontakt hatte, der aber keinerlei Interesse hatte den Kontakt von sich aus zu halten.
Lange Rede kurzer Sinn, ich hatte nach meiner Ausbildung im Grunde eine "so-was-wie-Freundin" mit der ich in der Ausbildung in der gleichen Klasse gewesen war.
Ich sehe sie noch heute als meine Freundin auch wenn wir auf einer ganz grundlegenden Ebene doch ziemlich verschieden sind und ich glaube, genau deshalb sich aus unserer Freundschaft, keine richtig intensive Freundschaft entwickeln kann. Mehr eben diese Klassenkameraden-Freundschaft.
Man versteht sich, man kann sich treffen und unterhalten. Viel tiefer geht es nicht.
Ich hatte auch versucht mal wieder einen Kontakt mit meiner ehemaligen besten Freundin her zu stellen, wollte mich mit ihr treffen um dann zu hören, "es wäre nett, dich mal wieder zu sehen aber ehrlich gesagt, sehe ich keinen Sinn darin, dass wir uns treffen. Wir haben uns auseinander gelebt"

Wieso ich das hier alles schreibe? Weil es alles damit zusammen hängt, dass diese junge Frau, die ich schon immer für ihre Ausstrahlung und Beliebtheit bewundert habe, nun so viel Rückhalt bekommt, jeder sorgt sich, Freunde bleiben ihr erhalten, ein ganzer Ort zeigt Anteilnahme und es steht eine starke Gemeinschaft um sie herum.
Also bin ich eiversüchtig? Nein, das auf jeden Fall nicht. Ich finde es super toll, dass mein Wohnort sich auch nicht von jemandem abwendet, wenn ihm etwas passiert und es schwierig wird. Dass Vereine, Freunde, Bekannte, ehemalige Schulen alle Rückhalt bieten. Ich finde das wirklich super toll und war heute zu Tränen gerührt.

Ich beneide sie dafür, dass sie für so viele Menschen so wichtig ist. Und ich wünsche, ich könnte die Zeit an den Tag zurück drehen, an dem dieser Unfall passiert ist.
Es klingt vermutlich bescheuert, aber wenn es die einzige Möglichkeit gewesen wäre, ihr das zu ersparen, hätte ich den Platz im Auto gewählt, an dem sie an diesem Tag fast ihr Leben verlor und so viel Freiheit verloren hat.
Denn - und hier komme ich zum Selbstmitleid - wäre mir so etwas passiert, hätte es so gut wie keinen interessiert. Die Wenigsten hätten es überhaupt mit bekommen, man hätte mich und meine Familie wohl bedauert. Aber es gibt auch jetzt keine starke Gemeinschaft um uns, kaum Freunde, speziell um mich eigentlich so gut wie keine. Wir sind nicht wirklich bekannt in unserem Wohnort.
Mehr als Bedauern hätte ich wohl nicht bekommen, es hätte sich schließlich nicht aus dem Nichts eine starke Gemeinschaft entwickeln können. Im Allgemeinen ist es eher so, dass man durch so ein Erlebnis Menschen verliert, von denen man dachte, es wären deine Freunde.
Ich denke, es wäre für viele einfach besser gewesen, wenn jemandem wie mir - im Speziellen mir - so etwas passiert wäre. Dann hätte ich aber glaube ich an diesem Tag sterben wollen. Denn ich wäre für meine Familie nur eine Last gewesen, wo sie schon genug haben. Die Einzige, die mich wohl wirklich vermisst hätte, wäre ohnehin wohl nur meine Mutter gewesen. Meine Großeltern wohl auch, aber sie wohnen ohnehin weiter weg, sodass sie mich nicht regelmäßig sehen.
Meine Schwester meldet sich so gut wie nie bei mir und auch mein Bruder schien mich während meiner fast 9 Monatigen Abwesenheit nicht wirklich vermisst zu haben.
Es hätte also keinen Unterschied gemacht, (hier ist es wieder, das Selbstmitleid) ob ich leben würde, oder sterben. Würde ich heute sterben, es würden nur einzelne in der Stadt mit der Zeit erfahren und es würde sich für niemanden, außer meine Mutter und meinen Bruder etwas ändern. Und selbst für die nicht viel. Wenn nicht sogar zum Positiven.
Das ist mir eben klar geworden, wie ich auf diesem Konzert war und diese junge Frau dafür beneidete, dass sie so vielen Menschen, so wichtig war. Dass sie scheinbar einfach von Natur aus, ein toller Mensch ist, mit dem man sich gern umgibt. Gleichzeitig schämte ich mich, weil das Konzert in einem tragischen Zusammenhang stand.
Trotzdem scheint diese junge Frau ihren Lebensmut und ihre positive Einstellung nicht verloren zu haben.
Etwas, das ich noch nie in dieser Intensität und Stärke besessen habe.
Ich habe auf einer Ebene den genetischen Jackpot. Depressionen, vererbt über mehrere Generationen. Bei mir "brachen" sie "aus" als ich etwa 5 Jahre alt war. Und ich gebe - unter anderem - dieser Erkrankung die "Schuld", dass ich nie sonderlich beliebt war, ganz im Gegenteil, in aller Regel eine Aussenseiterin war, die besten Falls zu einer Gruppe komischer Aussenseiter gehörte. Schlimmsten Falls gemobbt wurde. Ich hatte von Kindergarten-Tagen an Probleme mit meiner Entwicklung und hatte große Leistungsprobleme in der Schule.
Wer will schon Kontakt mit einem "stummen" Mädchen, das sich komisch verhält, immer total ruhig ist, kaum redet, immer deprimiert guckt und redet und dann auch noch die einfachsten Sachen in der Schule nicht hin bekommt? Wer will schon so jemanden als Freundin? Eine Person, die eher eine lästige Klette ist, die man überall mitziehen muss, weil sie nichts alleine schafft. Die ständig Zuspruch und aufbauende Worte braucht, wenn sie mal wieder in ihren Depressionen zu ertrinken droht. Oder mit anderen Worten, kurz davor ist, sich was an zu tun.
Niemand will sich mit so einer Person auseinander setzen. Was wiederum dazu führt, dass man allein bleibt, einsam ist, sich in seinem Gefühl, wertlos und unwichtig zu sein, bestärkt fühlt und nur noch tiefer in die Scheiße rutscht.

Ich hatte ganz ähnliche Gefühle an einem eigentlich sehr schönen Ereignis.
Bekannte von mir - eigentlich ist es der beste Freund meines Bruders, der - warum auch immer - mich auch eingeladen hat - hat geheiratet.
Es waren so viele Leute eingeladen, alle schienen sich zu kennen, alle hatten eine gewisse Beziehung zu einem der Beiden.
Was mir bewusst machte (und fragt mich nicht, wieso mir dann immer der Gedanke kommt "bei mir wäre das nicht so") würde ich heiraten, wen könnte ich schon einladen? Meine Geschwister, Mutter und engste Verwandten die die Gästeliste dann auf acht erweitern würden. Würde ich die einzigen beiden Personen einladen, die ich als meine Freunde bezeichne, wären es immerhin zehn Personen, die ich einladen würde, zu meinem {ach so pseudo} wichtigen Tag. Was nur statt finden kann, wenn ich überhaupt erst Mal einen Freund habe, der wiederum eine längere Beziehung mit mir aushält und ernsthaft in Betracht zieht, mich zu heiraten.
Was schon Mal höchst unwahrscheinlich ist, da die Leute in meinem Umkreis nicht sonderlich lange in eben diesem erhalten bleiben. Beziehungen hatte ich sowieso nur eine und die war ein Witz. Danach folgten viele Verliebtheiten meiner Seitz, die von der anderen Seite nie erwiedert wurden.
Während also um mich herum meine ehemaligen Freunde heiraten, stehe ich noch fast am gleichen Punkt, wie dem, an dem ich stand, als ich eben diese Personen noch als meine Freunde bezeichnete.
Und frage mich immer wieder "Welchen Unterschied würde es machen, wenn ich morgen nicht mehr da wäre?" und komme immer zur gleichen Antwort. Für die aller meisten Menschen gar keinen. Die an einer Hand abzählbaren Personen, für die es mehr oder weniger einen Unterschied machen würde, da wäre es schlimm, wenn nicht. Wenn nicht ein Mal die Familie einen vermissen würde. Und selbst da würde ich behaupten, dass sich selbst das in Grenzen halten würde.
Natürlich, ich bin nicht naiv, ich weiß, es gibt Menschen auf dieser Welt, die haben noch nicht ein Mal die engste, kleinste Familie. Keine Geschwister, keine Eltern, keine Großeltern.
Deshalb nenne ich es jetzt doch bewusst Selbstmitleid. Ich habe zumindest noch zwei Katzen, die mich lieben und meine Familie hat drei Hunde, die mich wohl auch lieben. Ich habe eine Mutter, die mich irgendwie liebt, einen Bruder und eine Schwester die mich vielleicht irgendwie lieben und womöglich auch irgendwie vermissen würden.
Ich sollte eigentlich dankbar sein, für das, was ich habe. Und ich versuche es auch, wirklich. Aber ich kann es irgendwie einfach nicht. Trotzdem fühle ich mich immer wieder einsam, völlig allein und komplett unwichtig.
Wie schaffen es diese Menschen, das sie im Ort bekannt und beliebt sind und selbst über die Ortsgrenzen hinaus Bekannte haben? Wie kann es dann auf der anderen Seite sein, dass in der gleichen Stadt eine junge Frau ist, etwa im gleichen Alter, von der gleichen Schule, die sogar zu zwei dieser prominenten Mädchen ein Mal eine Freundschaft hatte, sich so allein fühlen? So allein und einsam sein? Was ist der Unterschied zwischen denen und mir?
Antwort: Sie strahlen von Innen. Sie haben immer ein Lächeln auf dem Gesicht. Ein echtes. Und in ihren Augen strahlt eben dieses Lächeln. Sie haben eine positive Ausstrahlung, eine angenehme Art. Kurz, man hat sie gerne um sich. Und so können -und müssen - diese Menschen wählen, wen sie um sich haben wollen.
Ich habe eben nicht eine solche positive Ausstrahlung. Noch nie gehabt. Mein Lächeln ist nur selten durch und durch echt. In meinen Augen spiegelt sich wohl kaum etwas außer Depression, eine Traurigkeit, mit der sich niemand auseinander setzen will. Meine Worte, die keiner hören will. Weil sich eben niemand gerne mit negativen Menschen auseinander setzt.
Während selbst die seltsamsten ehemaligen Klassenkameraden der Grundschule ihren Freundes-und Bekanntenkreis haben, habe ich aufgegeben, daran zu glauben, jemals eine solche starke Gemeinschaft um mich zu haben. Spürbar gemocht zu werden, für genau das, was ich bin, habe ich aufgehört zu suchen. Aufgehört, erzwingen zu wollen und habe die Einbildung abgelegt, dass ich so etwas ein Mal haben könnte.
Selbst wenn ich es ein Mal aus meiner Depression schaffen werde, wirklich positiv wäre, im Leben stehen würde, wäre ich noch immer...Ich, nur Ich. Und ich war eben noch nie ein Mensch, den man gerne um sich hat und werde es wohl kaum irgendwann werden.
Entweder man ist ein solcher Mensch oder man ist keiner. Ich bin ein eben solcher Mensch, den kaum jemand um sich haben will, geschweige denn für längere Zeit.

Eine weitere Erkenntnis macht mir mein vor mich hin siechen schwer.
Ich bin auf der Suche nach Möglichkeiten, nebenher am Besten Ortsunabhängig Geld verdienen zu können. ich stieß auf die Idee, einen Online Kurs zu machen, den ich dann auf einer Seite zum Kauf anbiete. Entsprechende Seiten, auf denen man diese Kurse erstellen und zum Kauf anbieten kann, gibt es ausreichend. Nur...worüber sollte ICH einen Kurs machen?  Was weiß oder kann ich, was ich anderen weiter geben könnte und das dann auch tatsächlich Andere interessiert?
Bis heute ist mir nichts eingefallen.
Während sich das, doch auf einen digitalen Bereich bezieht, wo man auch ein gewisses Wissen braucht um überhaupt so einen Kurs mit Inhalt voll zu bekommen, ist ein anderer Bereich viel simpler. Trotzdem nicht vielversprechender.
Meine Schwester plant ihre Hochzeit und sie hätte gerne, dass mein Bruder und ich jeder etwas dazu beiträgt. In welcher Art, das sollen wir uns ausdenken.
Nun, ich kann nicht basteln, das macht meine Schwester ohnehin mit meinen Großeltern. ich bin auch sonst nicht sonderlich künstlerisch begabt. Ich kann Gitarre spielen, das aber auch nur einfach gehalten. Singen kann ich nicht. Ich bin überhaupt nicht gut im Reden halten, geschweige denn lustige Reden.
Ich habe ein gewisses Talent zum Schreiben. Bekomme aber nie eine Geschichte fertig. Meine Blogs sind auch kein Renner, was nicht gerade für den Inhalt und Schreibstil spricht.
Was kann ich denn dann eigentlich überhaupt?
Und das war der Punkt, an dem mir auffiel, dass ich eigentlich nichts wirklich gut kann.
Ich liebe Kinder und kann ganz gut mit ihnen spielen. Eine gute Fachkraft zu sein, fällt mir trotzdem schwer. Ich habe ein gutes Allgemeinwissen, das ich die meiste Zeit nicht abrufen kann. Ich habe Wissen in Pädagogik und Psychologie, was ich bei der Arbeit die aller meiste Zeit ebenfalls nicht abrufen kann.
Ich kann nicht zeichnen, malen, modellieren, Theater spielen, Vorträge halten.
Ich kann Menschen in Bogenschießen einweisen, vermute aber, dabei recht schnell ebenfalls extremst nervig zu sein.
Ich kann an einem Kiosk Getränke, Eis und Schokoriegel ausgeben. Sobald es zu größeren Rechnungen zu Zahlen kommt, habe ich wieder meine Schwierigkeiten.
Ich kann eine Kasse so weit bedienen, wie man es mir gezeigt hat.
Und was kann ich damit bitte anfangen?
Das Einzige, worin ich wirklich gut zu sein scheine ist, mich selbst zu bemitleiden, in Depressionen und Pessimismus zu versinken und alles schlecht oder als Unerreichbar zu sehen.
Und im Träumen. Ich träume mich weg von meinem echten Leben, ich mache große Pläne, die ich nie erreichen kann. Ich tauche in die Romane ein, die ich lese und stelle mir vor, ich würde dort leben.
Ja darin bin ich gut. Etwas sinnvolles und hilfreiches habe ich noch nicht gefunden, in dem ich gut bin.
Und jetzt verbiete ich mir, mich weiter selbst zu bemitleiden und geh lieber ins Bett, wo eine verschmuste Katze auf mich wartet. Eine der wenigen Lebewesen auf dieser Erde, die mich glücklich macht, der ich wichtig zu sein scheine und die mich einfach nimmt, wie ich bin. Solange ich ihr immer schön Futter gebe 😂